Mittwoch, 26. Dezember 2018

Christmas Cake - ein Weihnachtsprojekt

Christmas Cake

«Nein - heuer gibt es keinen Weihnachtsbaum. Also sowieso, Weihnachten..., da machen wir jetzt mal nicht mehr so ein G'schiss drum, oder?» Das muss so um 1979/80 rum gewesen sein. Meine Eltern fanden Weihnachten plötzlich total überbewertet. Ich war stinksauer. Der Winter war sowieso meine Hass-Zeit (siehe meinen letzten Post). Das einzig Positive daran waren mein Geburtstag, Weihnachten und Silvester. Und jetzt sollte Weihnachten quasi abgeschafft werden. Also ganz abgeschafft wurde Weihnachten nicht. Kirche war angesagt - ich glaube, weil meine Schwester da querflötenmässig was vortragen musste. Und als Abendessen war Fondue Chinoise vorgesehen. Mit der Kirche hatte ich es nicht so, dafür mit der Küche umso mehr. Also habe ich mich anerboten, den Gastronomieteil zu übernehmen, während der Rest der Sippe den himmlischen Klängen der queren Flöte horchte.
Kaum war die Sippe ausser Haus, habe ich den Weihnachtsschmuck vom Dachboden geholt. Weihnachtsbaum war ja keiner da. Aber im Wohnzimmer stand so eine unsägliche Zimmerlinde. Die musste hinhalten als Weihnachtsbaum. Sämtlichen Baumschmuck habe ich da rangepappt, Kerzenhalter mit roten Baumkerzen montiert, dann den Tisch schön gedeckt, Servietten gefaltet, Saucen in kleine Schalen abgefüllt etc. Voilà - ich bastle mir mein Weihnachten, auch wenn die anderen nicht wollen.
Und noch heute bin ich der totale Weihnachtsjunkie! Ich stehe auf Traditionen, ich brauche Rituale, immer wiederkehrende Abläufe... sowieso, wenn es draussen garstig kalt und grauslig ist. Genau da brauche ich Kerzen, Adventskranz, Weihnachtsgüetzi (Plätzchen) und das ganze Drumherum. Und Weihnachten ohne Weihnachtsbaum geht gar nicht.

Weihnachtsbaum 2018 im Hühnerstall

Im «Wintertagebuch» von Nigel Slater schreibt er am 25. November: «Auf diesen Tag habe ich mich schon seit Wochen gefreut. Der Tag, an dem ich den KUCHEN mache. Es wird - und muss - ein Tag sein, an dem ich wenig anderes zu tun habe. Einen Kuchen zu backen, der für zwanzig Leute reicht, ist nichts, was man zwischen fünfzehn andere Erledigungen quetschen könnte. Meistens lege ich beruhigende Musik auf oder lausche dem sanften Geplauder des Radios, und heute ist es nicht anders.»
Also habe ich mich am 25. November mal an die Vorbereitung des Kuchens gemacht. Bei den Trockenfrüchten habe ich ein bisschen abgeändert und keine kandierten Früchte reingemacht, weil die meisten hier keine kandierten Früchte mögen.

Am 25. November
Rezept für einen Kuchen von 20 cm Durchmesser

250 g Butter
125 g heller Muscovado-Zucker
125 g dunkler Muscovado-Zucker
100 g Haselnüsse, geschält
650 g Trockenfrüchte (Dörrpflaumen, Aprikosen, Feigen (im Originalrezept von Nigel noch kandierte Zitrusschalen und kandierte Kirschen, die habe ich weggelassen, dafür getrocknete Äpfel genommen)
3 grosse Eier
350 g getrocknete Trauben/Beeren (Rosinen, Sultaninen, Korinthen, getrocknete Cranberries)
3 Esslöffel Brandy
1 Bio-Orange (Schalenabrieb und Saft)
1 Bio-Zitrone (Abrieb)
½ Teelöffel Backpulver
250 g Mehl

Mise en Place für den Christmas Cake

Backofen auf 160°C vorheizen. Springform mit Backpapier mit Backpapier auslegen. Das ist ein bisschen eine Wissenschaft. Da der Kuchen sehr lange im Ofen ist, muss die Form  am Rand doppelt mit Backpapier ausgelegt werden, damit die Früchte am Rand nicht zu dunkel und bitter werden. Das Backpapier sollte leicht eingebuttert werden.

Doppelte Lage Backpapier für die Springform

Mehl und Backpulver vermischen. Butter und Zucker zu einer hellen, schaumigen Crème schlagen. Die Haselnüsse in einer trockenen Pfanne hellbraun anrösten, dann halbieren. Die Trockenfrüchte in kleine Stücke schneiden, die harten Stiele der Feigen entfernen. Die verquirlten Eier nach und nach in die Butter-Zucker-Mischung geben, zwischendurch ein wenig vom Mehl einrühren. Jetzt abwechslungsweise die Mandeln, die Haselnüsse, sämtliche Trockenfrüchte und Trauben/Beeren, den Brandy, den Zitrussaft und den Zitrusabrieb einrühren. Zum Schluss das Mehl vorsichtig unter die Masse ziehen, den Teig in die vorbereitete Springform füllen, glatt streichen und in den vorgeheizten Ofen schieben.
Christmas Cake-Teig

Den Kuchen ca. eine Stunde backen, dann - ohne den Ofen zu öffnen - die Temperatur auf 150°C zurück drehen und den Kuchen nochmals ca. 1,5 h backen. Stäbchenprobe machen. Am Holzstäbchen dürfen ein paar Krümel hängen, kein roher Teig.
Den Kuchen aus dem Ofen nehmen, auskühlen lassen und dann erst aus der Form lösen. Das Backpapier nicht entfernen!

Frisch aus dem Ofen

Den Kuchen im Backpapier lassen und zusätzlich in Alufolie wickeln, so bis kurz vor Weihnachten in einer runden Blechdose aufbewahren. Ab jetzt bis zum 18. Dezember wird der Kuchen alle vier bis fünf Tage mit Brandy oder Cognac «gefüttert». Dazu wird der Kuchen mit einer groben Stricknadel oder einem Holzspiesschen eingestochen und in die entstandenen Löcher löffelchenweise Cognac oder Brandy geträufelt.

18. Dezember
Heute wird der Kuchen mit Marzipan überzogen. Da habe ich mich nicht an Nigels Rezept gehalten, er macht in den Marzipan ein Ei rein. Als Confiseur-Tochter halte ich mich lieber an die Erfahrungen meines Vaters und habe die Feuchtigkeit mit Invertzucker in die Mandelmasse gebracht. Das Originalrezept fand ich mengenmässig an der obersten Grenze. In unserem Haushalt steht niemand wirklich so richtig auf Marzipan, deshalb habe ich das Rezept abgeändert.

350 g geschälte, feinst gemahlene Mandeln
175 g Puderzucker

Aprikosenmarmelade (ich habe Johannisbeergelee genommen, einfach säuerlich muss es sein)

Puderzucker in eine Schüssel sieben und mit den gemahlenen Mandeln vermengen. Nun vorsichtig nur so viel Invertzucker beigeben, dass eine glatte, feste Paste entsteht, die sich ausrollen lässt.

Nun holen wir unseren Kuchen aus der Dose und befreien ihn von der Alufolie und dem Backpapier. Den Kuchen mit Marmelade bestreichen. Jetzt den Marzipan auf Backpapier dünn ausrollen und den Kuchen damit einpacken. Nigel schreibt: «Ich finde es einfacher, das Marzipan an den Aussenseiten des Kuchens aus zwei Streifen zusammenzusetzen, als mit einem einzigen, lächlerich langen zu kämpfen (...) Den Durchmesser des Kuchens mit einem Stück Schnur oder Garn abmessen, einen Streifen Marzipan ausrollen, so lang wie die Schnur und so breit wie die Höhe des Kuchens (...) Die Seiten des Kuchens mit Aprikosenmarmelade bestreichen, dann den Kuchen hochkant stellen über die Marzipanstreifen rollen und die Streifen festdrücken, dabei nach Bedarf abschneiden.»

Dann eine runde, dünne Platte für den Deckel ausrollen und mit Hilfe des Springformbodens eine Marzipanplatte ausschneiden. Diese auf den Kuchen legen und die Kanten mit dem Marzipanrandstück verbinden. Restlichen Marzipan in eine Folie wickeln und aufbewahren - den brauchen wir noch.

Mit Marzipan überzogener Christmas Cake

Den Kuchen mit einem sauberen Küchentuch zugedeckt an einem kühlen, trockenen Ort (z.B. Keller) bis am 21. Dezember aufbewahren.

21. Dezember
Am 21. Dezember wird der Kuchen mit Zuckerguss überzogen. Ich hatte mich an Nigels Rezept gehalten und das war definitiv zu viel.

4 Eiweiss (Korrektur von mir: 2 reichen längst!)
850 g Puderzucker (Korrektur von mir: ca. 500 g)
evtl. Zitronensaft (habe ich ganz weggelassen)

Eiweiss leicht aufschlagen, dann den Puderzucker beifügen, bis eine dicke Masse entsteht, die sich auf den Kuchen auftragen lässt, ohne, dass sie daran herunter läuft. Mit einem Spatel den Zuckerguss zu Spitzen hochziehen... das ist mir nicht wirklich gelungen. Den Kuchen wieder in den kühlen Keller stellen. Nach ca. 48 Stunden ist der Zuckerguss soweit hart, dass er verziert werden kann.
Ich habe den restlichen Marzipan eingefärbt und daraus Stechpalmenblätter und -beeren geformt und den Kuchen damit belegt. Noch ein bisschen Goldflitter darüber gestäubt und den Kuchenrand mit einer roten Schleife verziert. Weihnachten kann kommen!


Zum Thema Zuckerguss schreibt Nigel: «...Beim Abräumen von Tellern, auf denen  Christmas Cake serviert wurde, entsteht unweigerlich ein Stapel aus ungeliebtem Guss...» Bei uns auch, bis auf eine Person, die sich wirklich die gesamte Zuckerdröhnung reingepfiffen hat! Aber der Zuckerguss muss einerseits für die Optik sein, andererseits macht er den Kuchen auch haltbar, bzw. hält ihn im Innern feucht. Keine Ahnung, wie lange er sich hält, aber er fühlt sich an, als ob er bis Ostern überleben würde. 

Christmas Cake - very british

Und um dem Christmas Cake einen würdigen Rahmen zu verleihen, habe ich extra passende Servietten und eine Tischdecke genäht und das Menü auf british getrimmt.


Weihnachten 2018

Nigel Slater, Das Wintertagebuch, Verlag Dumont, ISBN 978-3-8321-9935-7

3 Kommentare:

  1. oh ja, dein Weihnachtsmenü und deine Tischdekoration sehen klasse aus und very british! jetzt weiss ich, was Du gemeint hast, als Du sagtest, dass wir gleichzeitig gebloggt haben )) Die Mince Pies vom vorh.Post sehen sehr schön aus, richtiger Klassiker, mit Sternchen )
    Ich habe mit Streusel gemacht (als einer von Nigel's Ideen). Christmas Cake habe ich dieses Jahr weggelassen, stattdessen Christmas Pudding serviert mit Brandy Butter. In seinem Buch gibt es so viele tolle Rezepte, die ich noch ausprobieren möchte... demnächst mache ich die eingelegte Quitten (bin gespannt, wie sie mit dem Käse schmecken). LG Julia

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    1. Der Christmas Pudding mit Brandy Butter kommt nächstes Jahr dran. Jetzt für Silvester werde ich wahrscheinlich als kleinen Mitternachtssnack Nigels Cranberry-Focaccia machen.
      Nigels Quitten habe ich für nächsten Herbst bereits im Visier. Ich habe dieses Jahr rund 50 kg Quitten in Gläser eingekocht nach folgendem Rezept: https://wildespoulet.blogspot.com/2014/12/ein-teller-geht-auf-reisen.html

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    2. ein tolles Quitten- Rezept, passt ganz gut als "Geschenk aus der Küche")!
      und ich tendiere zu der "Pastete aus Räucherfisch und Lauch" wobei die Cranberry-Focaccia sieht klasse aus und passt laut Nigel's Kalender genau zum Silvester :)Na ja, am Montag sind noch die Geschäfte offen, kann bis dann noch überlegen... Ich habe zwar nicht im meinem Blog gepostet, aber schon 3 mal gemacht: Gebratenes Mincemeat Sandwich und dazu Salzkaramelleis-himmlisch, ich habe mit Mini Panettone gemacht, als kleine Portionen:einfach köstlich, probiere, solange Panettone noch zu kaufen sind. LG Julia

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