Dienstag, 9. Dezember 2014

Ein Teller geht auf Reisen - Gewürzquitten mit Vanilleeis und Kindheitserinnerungen



Nun ist er bei mir gelandet, der schöne Teller, den Petra vom Blog Foodfreak im Mai 2013 auf Reisen geschickt hat. Unter dem Motto «ETgaR - Ein Teller geht auf Reisen» ist dieses edle Porzellanteil von Hamburg kreuz und quer durch Deutschland geschickt worden und hatte im Oktober mit dem Tessinerli die Schweizer Grenze überschritten. Zu mir kam er dann von Löffelchen voll Zucker. Gar Köstliches wurde im Laufe der 19 Monate auf dem Teller angerichtet, eine Übersicht der bisherigen Rezepte findet man auch auf Pinterest, die Spielregeln für ETgaR hier.

Ich hatte noch vier Quitten da, die ich unbedingt zu etwas verarbeiten musste/wollte. Aber Quittenmarmelade oder -gelee... naja... ich steh da nicht sooo drauf. Habe da irgendwie ungute Kindheitserinnerungen.
Es musste in den Herbstferien so um 1976 rum gewesen sein. In der Früh war's draussen neblig, doch der Nebel löste sich jeweils so gegen 11 Uhr vormittags auf und dann war eitel Sonnenschein. Ich mochte dieses Wetter. Ich mochte Herbstferien. Erst ein bisschen im Bett rumlümmeln, dann aufstehen, damit man pünktlich um 9.30 Uhr an der Quartier-Strassenecke war. Denn dann kam der Milchmann mit seinem alten, klapprigen VW-Bus und wir Kinder durften jeweils mit auf die Tour.
Bei uns hatten die Briefkästen einen sogenannten Milchkasten. Also heute heisst das Teil Paketfach; aber da früher kaum Pakete gekommen sind, hat man in dieses Fach in der Früh ein «Milchkesseli» (Milcheimerchen) reingestellt und in den Deckel desselben das abgezählte Geld. Ein Liter Vollmilch kostete damals so um die Fr. 1.07. Jedenfalls gab es noch die kupfrigen Ein- und Zweirappenstücke. Wenn wir mit dem Milchmann auf Tour waren, sind wir aus dem VW-Bus gesprungen, haben aus den Milchkästen die Milchkesseli geholt und mussten dem Milchmann dann anhand des abgezählten Geldes vorrechnen, wieviel Milch er in das Kesseli füllen soll. Manchmal lag auch noch ein Zettel mit dabei, wenn die Hausfrau nicht nur Milch, sondern auch Joghurt, Butter und Käse wollte. Manche haben kein Geld in das Kesseli gelegt. Dann durften wird die Gesamtsumme in das Milchbüchlein, welches an einer Schnur von der Bus-Decke baumelte, eintragen. Ende Monat wurde dann abgerechnet. An den Abrechnungstagen dauerte die Tour dann fast doppelt so lange, weil die ganzen Hausfrauen ihre Monatsrechnungen begleichen mussten, was natürlich immer auch noch mit einem Schwatz verbunden war. Wir Kinder fanden diese Schwatzereien ungemein spannend - vor unseren Ohren und Lästermäulern war nichts sicher ;-)

Nun denn... wie gesagt, Herbstferien 1976. Ich hatte grad so schön Pläne geschmiedet, wie diese aussehen sollten. Vormittags jeweils mit dem Milchmann auf Tour, Nachmittags dann mit dem alten Leiterwagen des Nachbarn Zigeuner spielen, auf dem Spielplatz das Laub der vier grossen Nussbäume zu einem grossen Haufen unter den einen Nussbaum schichten, auf den Baum klettern und in den Laubhaufen springen und all so ein Zeugs. Leider machte mir mein Vater bereits am ersten Ferientag einen Strich durch die Rechnung. Schleppte der doch tatsächlich zwei Wäschezainen und einen Zinnzuber voll mit Quitten an. Geschenkt gekriegt von einer Frau aus dem Dorf: «Kinder, die werden geschält und das Kerngehäuse entfernt, damit eure Mutter Marmelade und Gelee kochen kann.» Ohhhhhh nein!!!! Ist der Kerl denn nicht ganz geputzt? Was war denn mit unserer Milchmanntour, mit den Leiterwagenfahrten, mit dem Laubhaufen? 50 kg Quitten... kleine, schwache, zarte Kinderhände... der tickt doch nicht richtig! Ich war sooooooo sauer. Man muss sich auch vorstellen, ich war grosse Schwester. Das heisst, meine drei Jahre jüngere Schwester war nicht wirklich eine Hilfe bei diesen Quitten.


So sassen wir am Dienstag bereits in der Früh bewaffnet mit Brotmessern (als Sägen durchaus tauglich) am Küchentisch und säbelten an den steinharten, gelben Früchten rum. Wir haben uns fast eine Hand abgemacht und am Mittag waren noch nicht wirklich viele Quitten geputzt. Nach dem Mittagessen - meine Mutter war am Nachmittag ausser Haus - ging es weiter mit der Säblerei... bis meine Schwester - sie war manchmal doch zu was zu gebrauchen ;-) - eine grandiose Idee hatte. Schnell stellten wir einen alten Klapptisch an die Strasse, stellten die Quittenkörbe drauf und malten ein grosses Schild. Darauf stand: «ZU VERSCHENKEN - NEHMEN SIE ALLE MIT!» ...und dann ab auf den Spielplatz!
Als meine Mutter nach Hause kam, war die Hälfte der Quitten weg. Die andere Hälfte mussten wir aber leider doch noch putzen - mir ist jedoch jahrelang der Appetit auf Quittenmarmelade und -gelee vergangen. Einzig diese Gewürzquitten vermögen mich zu begeistern.

Rezept
4 Quitten
3 dl Weisswein
50 bis 70 g Zucker
1 Zimtstange
3 Sternanis
7 Pimentkörner
5 Gewürznelken
5 Zimtblüten
1 kleine unbehandelte Zitrone

Quitten schälen, vierteln und Kerngehäuse entfernen. Die Zitrone in acht Schnitze schneiden.
Weisswein mit Zucker und sämtlichen Gewürzen zusammen aufkochen und gute 15 Minuten sirupartig einköcheln lassen. Zitronenschnitze und die Quittenviertel beifügen. Quitten ca. 15 Minuten weich kochen und anschliessend den Topf vom Herd nehmen. Quitten im Sud auskühlen lassen.
Die Quittenviertel in feine Schnitze schneiden zusammen mit Vanilleeis anrichten und mit dem Gewürzsud übergiessen.

Tipp: Kann auch mit Äpfel oder im Sommer mit Pfirsichen zubereitet werden. Hingegen ist dann natürlich die Kochzeit wesentlich kürzer.

Und nun geht der Teller weiter auf Reisen. Lasst euch überraschen.